Nutzen von Augenübungen/Augentraining
Bericht vom Januar 2015 Fachzeitschrift „Journal of Vision“
Augenübungen verbessern innerhalb von nur zwei Tagen Sehvermögen bei älteren Menschen und Jugendlichen
Bereits
seit Jahrzehnten empfehlen Befürworter von Naturheilverfahren, das
Sehvermögen durch gezielte Übungen der Augen zu erweitern und zu
verbessern, in einigen Fällen können dadurch sogar Sehhilfen überflüssig
werden. Klingt das nicht nach unrealistischen Hoffnungen oder sogar
Quacksalberei?
In
letzter Zeit untermauern etablierte wissenschaftliche Beweise das
Konzept, ein besseres Sehvermögen sei durch gezieltes „Augentraining zu
erreichen. Forschungen, die mit Mitteln des US-amerikanischen Nationalen
Instituts für Alterungsprozesse in Höhe von 3,5 Mrd. Dollar gefördert
wurden, konnten nachweisen, dass ältere Menschen schon nach kurzer Zeit
durch Wahrnehmungstraining ihr Sehvermögen verbessern können.
Nach Angaben des Forscherteams, das sich aus Wissenschaftlern der
Universität von Kalifornien in Riverside und der Bostoner Universität
zusammensetzte, habe die Fähigkeit älterer Menschen, ihr Sehvermögen so
rasch zu verbessern, wesentliche Auswirkungen auf die Gesundheit und
Mobilität dieser Altersgruppe insgesamt. Veränderungen des Sehvermögens
etwa in den Bereichen Kontrastempfindlichkeit, räumliches Sehen,
Orientierungsvermögen, Tiefenschärfe, Hell-Dunkel-Anpassung, Sehschärfe
und Bewegungswahrnehmung wurden lange Zeit mit dem Alterungsprozess in
Verbindung gebracht. Diese neue Untersuchung zeigt zum ersten Mal auf,
dass gezieltes „Augentraining“ das Sehvermögen älterer Menschen in den
ersten Phasen der visuellen Verarbeitung verbessern kann.
Der Psychologie Professor
G. John Andersen und seine Mitarbeiter untersuchten in einer Reihe von
Experimenten, ob die wiederholte Durchführung bestimmter visueller
Aufgaben, die bis an die individuellen Grenzen des Sehvermögens der
Patienten gehen, zu einer Verbesserung des Sehvermögens führen.
Teilnehmer im Alter von über 65 Jahren wurden dabei besondere Aufgaben
vorgelegt, in denen es um die Erkennung und Unterscheidung von
visuellen Strukturen ging. Dabei wurden die Testpersonen visuellen
Reizen in Form von Abbildungen ausgesetzt, die aus einem Buchstaben
bestanden, der sich in der Mitte horizontaler Linien befand In der
näheren Umgebung des Buchstaben wurde dann durch diagonal verlaufende
Linien ein entweder horizontal oder vertikal gelagertes Objekt
dargestellt, das immer im gleichen Bildteil erschien. Nachdem den
Testpersonen dieses Bild gezeigt worden war, wurden in rascher Folge
weitere Abbildungen gezeigt, in denen immer unterschiedliche Bereiche
des Ursprungsbildes verdeckt waren. Die Aufgabe
für die Testpersonen bestand nun darin, sich sowohl auf den Buchstaben
als auch auf das Objekt in der näheren Umgebung zu konzentrieren.
Es
stellte sich heraus, dass nach nur zweitägigen Übungen von jeweils
einer Stunde mit unterschiedlichen visuellen Reizen ältere Menschen
genauso gut sahen wie Menschen im Studentenalter, erklärte Andersen in
einer Pressemitteilung. Die Verbesserungen hielten ungefähr drei Monate an.
Die Ergebnisse hingen von der Position des Reizes im Gesichtsfeld ab,
was darauf hindeutet, das sich das Gehirn bereits in frühen Phasen der
visuellen Verarbeitung in der Sehrinde verändert. Die Sehrinde
bildet den Teil der Grosshirnrinde, der für die Verarbeitung der
visuellen Reize verantwortlich ist. Die Verbesserung des Sehvermögens
kann nicht einfach nur damit erklärt werden, dass die Probanden im
Verlauf der Untersuchung mit den Aufgaben immer vertrauter geworden
seien, betonten die Forscher. Darüber hinaus hielten die Verbesserungen
des Sehvermögens nach dem Wahrnehmungstraining noch mindestens drei
Monate an.
Dies
ist besonders wichtig, weil es zeigt, dass ältere Menschen noch eine
hohe Anpassungsfähigkeit und Flexibilität des Gehirns aufweisen. Zudem
legt es nahe, dass ein solches „Training“ des Sehvermögens auch die im
normalen Alterungsprozess auftretenden Beeinträchtigungen verlangsamen
oder sogar rückgängig machen könnte. Angesichts der deutlichen Folgen der altersbezogenen Beeinträchtigungen
des Sehvermögens für das Autofahren, die Mobilität und die Gefahr von
Stürzen zeigt diese Untersuchung, dass Wahrnehmungstraining ein
nützliches Mittel zur Verbesserung der Gesundheit und des allgemeinen
Wohlbefindens einer älter werdenden Bevölkerung sein kann, folgern die
Wissenschaftler.